Für viele selbstständige Handwerkerinnen in Nordrhein-Westfalen ist eine Schwangerschaft mit erheblichen Herausforderungen verbunden – nicht nur körperlich, sondern auch finanziell. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums und des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT). Demnach kehrt etwa ein Viertel der befragten Handwerkerinnen bereits sechs Wochen nach der Geburt wieder vollständig in den Arbeitsalltag zurück – meist aus wirtschaftlichem Druck, da es bislang keine gesetzlichen Mutterschutzleistungen für Selbstständige gibt. Während der Schwangerschaft verrichteten fast alle regelmäßig körperlich fordernde Arbeiten – Tätigkeiten, die bei angestellten Arbeitnehmerinnen meist durch gesetzliche Schutzmaßnahmen untersagt wären.
Wirtschaftsministerin Mona Neubaur betonte, sie habe großen Respekt vor der Leistungsfähigkeit und dem Engagement dieser Frauen, die mit Kreativität und Durchhaltevermögen ihren Betrieb führen. Sie verwies darauf, dass es nicht akzeptabel sei, dass selbstständige Handwerkerinnen in einer so sensiblen Lebensphase ohne jede rechtliche Absicherung auskommen müssten. Wer bis kurz vor der Geburt körperlich schwer arbeite und direkt nach der Entbindung wieder im Einsatz sei, verdiene nicht nur Anerkennung, sondern auch gezielte Unterstützung. Neubaur verwies auf eine Initiative, die sie bereits im März des vergangenen Jahres im Bundesrat eingebracht habe, um Mutterschutzleistungen auch für Selbstständige zu schaffen. Nun liege es an der Bundesregierung, entsprechende gesetzliche Regelungen umzusetzen. Es sei nicht gerecht – und zudem verfassungsrechtlich bedenklich –, dass selbstständige Frauen während Schwangerschaft und Geburt keinerlei Anspruch auf Einkommensersatz hätten.
Auch Dr. Rosemarie Kay, die die Studie leitete, wies auf die Lücke im System hin: Im Gegensatz zu angestellten Müttern, die durch Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschüsse finanziell abgesichert seien, stünden selbstständige Mütter ohne gesetzlichen Schutz da. Zwar bestehe die Möglichkeit, privat eine Krankentagegeldversicherung abzuschließen, um Einnahmeausfälle auszugleichen – doch viele Betroffene seien über diese Option nicht ausreichend informiert oder hätten sich bewusst dagegen entschieden.
Die wichtigsten Studienergebnisse im Überblick:
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Die Mehrheit der befragten Handwerkerinnen beendete ihre Arbeit erst wenige Tage vor der Geburt – die Hälfte sogar erst in der letzten Woche vor der Entbindung.
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Rund 50 Prozent kehrten innerhalb von vier Wochen nach der Geburt in reduzierter Form in den Betrieb zurück.
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Jede vierte nahm ihre Tätigkeit bereits nach sechs Wochen wieder vollständig auf.
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89 Prozent führten während der Schwangerschaft regelmäßig körperlich belastende Arbeiten aus, für die es bei Angestellten klare Schutzvorgaben gäbe.
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Drei Viertel der Teilnehmerinnen berichteten von einer erhöhten psychischen Belastung in dieser Zeit.
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Nur 29 Prozent erhielten während der Mutterschutzzeit finanzielle Unterstützung in Form von Krankengeld.
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Über 80 Prozent wünschen sich die Einführung eines umlagefinanzierten Mutterschaftsgeldes, etwa 40 Prozent befürworten auch das Modell einer Betriebshilfe.
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Die Mehrheit fühlt sich über bestehende Absicherungsmöglichkeiten schlecht informiert.
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Bei über einem Drittel der Betroffenen dauert es länger als drei Jahre, bis der Umsatz wieder das frühere Niveau erreicht. Bei der Hälfte beginnt der wirtschaftliche Wiederaufschwung frühestens nach einem Jahr.
Berthold Schröder, Präsident des WHKT, unterstrich die Bedeutung selbstständiger Frauen im Handwerk. Angesichts eines Frauenanteils von lediglich 22 Prozent unter den Betriebsinhaberinnen in NRW sei es dringend notwendig, gezielt Fach- und Führungskräfte zu fördern. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stelle für selbstständige Handwerkerinnen jedoch eine besondere Belastung dar – vor allem, weil in vielen Gewerken körperlich fordernde Tätigkeiten zum Arbeitsalltag gehören. Schröder sprach sich daher klar für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen aus, um mehr Frauen auf ihrem Karriereweg im Handwerk zu unterstützen.
Die Befragung wurde im Rahmen des Projekts „Machbarkeitsstudie: Wege der Unterstützung für Selbständige im Handwerk während der Schwanger- und Mutterschaft“ durchgeführt, das vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium gefördert und vom WHKT umgesetzt wird. Insgesamt nahmen 950 selbstständige Handwerkerinnen aus NRW teil.
Ausblick:
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nun in Zusammenarbeit von Handwerksorganisationen und Interessenvertretungen mit dem IfM Bonn in konkrete Handlungsempfehlungen münden. Ziel ist es, die Bedingungen für schwangere und frisch gebackene Mütter im Handwerk nachhaltig zu verbessern.
Die vollständige Studie mit dem Titel „Selbstständige Handwerkerinnen als (werdende) Mütter – Ergebnisse einer NRW-weiten Befragung“ ist online auf www.machbarmachen-handwerk.de verfügbar.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Land NRW/ Veröffentlicht am 21.07.2025


